[gastbeitrag]: Amelie May über rhetorische Spezifika der Gattung Kolumne und ihre Funktion innerhalb gesellschaftlicher Diskurse am Beispiel von Margarete Stokowski.
Was Journalismus alles leisten könne und solle, darüber gibt es viele Debatten, die teilweise mit der Forderung nach einer objektiven Berichterstattung verbunden sind. Viele sehnen sich nach wie vor nach einer wahrheitsschaffenden Instanz, an deren Fakten man sich orientieren könnte, und manche Medienschaffende scheinen in Abgrenzung zu den sogenannten Massenmedien genau diesen Wunsch nach klarer Orientierung zu erfüllen. Auf der anderen Seite stehen aber Journalist*innen, die die Möglichkeit dieses scheinbaren Versprechens nach Objektivität in ihrem Absolutheitsanspruch völlig negieren. Anhand des Fälschungsskandals um den Journalisten Claas Relotius lassen sich diese beiden Pole bestens nachvollziehen, denn er provozierte natürlich die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Journalismus und damit verbunden auch die Debatte um Objektivität. Fordert Jörg Kürschner in der Jungen Freiheit ein Rückbesinnen „auf die bewährten Grundsätze des objektiven Journalismus“[1], setzt sich Stephan Hebel kritisch mit ebendiesen Forderungen auseinander. Der Fall Relotius verstoße zwar eindeutig gegen das journalistische Sorgfaltsgebot, die Debatte um einen objektiven Journalismus jedoch sei hinfällig, da kein*e Journalist*in absoluten Wahrheiten produzieren könne.[2]
→ weiter lesen[gastbeitrag]: Maximilian Blaeser über die verfehlte Sozial- und Ehrenamtspolitik am Beispiel der Essener Tafel
„Mein Verein“ heißt eine aktuelle Sonderausstellung im Bonner Haus der Geschichte. Die Ausstellung thematisiert den Verein „als Ort von Geselligkeit und Gemeinschaft, […] der Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus zusammenführt“[1]. Bis vor Kurzem galt dieser Satz auch für die Tafeln in Deutschland, die sich selbst als Orte der Begegnung bezeichneten[2]. Seit dem Entschluss der Essener Tafel, mittelfristig nur noch deutsche Staatsbürger*innen aufzunehmen, ist ein Streit über Diskriminierung bei der Tafel entbrannt. Ausgangspunkt der Essener Maßnahme war der hohe Ausländer*innenanteil der Kundschaft (75 Prozent) sowie der eigene Wunsch, „vernünftige Integration zu gewährleisten“[3]. Ältere Menschen oder Alleinerziehende innerhalb der Kundschaft, so die Essener Tafel, hätten sich zunehmend unwohler gefühlt. Vielleicht habe man, so zitiert die Süddeutsche Zeitung den Essener Tafelvorsitzenden Jörg Sartor, „zwei Jahre lang Deutsche benachteiligt – ohne es zu wissen“[4]. Die Situation polarisiert.
→ weiter lesen„Wenn die Politiker nicht imstande sind, in Lichtenhagen für Ordnung zu sorgen, muß sich der gemeine Bürger eben selber zur Wehr setzen“[1], war am 24. August 1992 in einer Rostocker Lokalzeitung zu lesen. Seit zwei Tagen attackierten zu diesem Zeitpunkt hunderte Menschen in dem Neubauviertel Lichtenhagen eine Unterkunft von Asylsuchenden und ein Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter. Tausende klatschten Beifall. Nachdem die Flüchtlinge noch am selben Tag evakuiert worden waren, richtete sich die Gewalt gänzlich gegen die Vietnamesen. Am Abend stürmten Angreifer ihr Wohnhaus, verwüsteten die Einrichtung und legten schließlich Feuer. Mehr als 120 Menschen waren in dem Gebäude eingeschlossen und konnten nur mit der Flucht über das Dach ihr Leben retten. Aus der johlenden Menge tönte ihnen immer wieder „Deutschland den Deutschen“ entgegen und: „Wir kriegen euch alle“.[2]
→ weiter lesenAls im Jahr 2015 so viele Menschen wie lange nicht mehr die Grenzen zu verschiedenen Ländern der Europäischen Union übertraten, war schnell der Begriff der Flüchtlingskrise in der Welt. Und er hält sich – bis heute konstant – sowohl in den öffentlichen als auch in den wissenschaftlichen Debatten.[1] Dabei verbindet sich mit diesem Begriff ein ganzes Füllhorn an Bildern: von überfüllten Aufnahmeeinrichtungen, von Auseinandersetzungen zwischen GrenzbeamtInnen, Militär und Polizei auf der einen und Geflüchteten sowie UnterstützerInnen auf der anderen Seite. Zugleich ruft der Begriff Bilder von erschöpften Bootsflüchtlingen an den Küsten Europas ebenso wie von versunkenen Booten und angespülten Leichen wach. Und er steht nicht zuletzt für die unkontrollierte Überwindung von Zäunen und Stacheldraht, für die Proteste an den Grenzen und für den selbst organisierten Aufbruch aus Ländern, in denen keine Lebensperspektive mehr zu erwarten war.
→ weiter lesenWer versucht, sich über das religiöse Feld im Deutschland des Jahres 2017 einen Überblick zu verschaffen, der wird mit einem in sich höchst diversen Befund konfrontiert: In den Feuilletons, in der Kulturszene und auch im politischen Diskurs ist Religion hoch präsent. Das ist in diesem Jahr vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, Martin Luther und dem 500-jährigen Reformationsjubiläum zu verdanken. Als Playmobilfigur, als Filmheld, als Stoff für zahlreiche Biografien, aber auch als Aufhänger für politische Reden: Dem Reformator entkommt man in diesem Jahr nicht.
→ weiter lesenDer Aufstieg des Rechtspopulismus im Westen dürfte im Jahr 2016 endgültig unzweifelhaft geworden sein. Seine Gründe bedürfen aber nach wie vor gründlicher Interpretation. Gerade in Polen und Ungarn zeigen sich rechtspopulistische Phänomene in besonderer Deutlichkeit: Die beiden rechtsgerichteten Regierungen von PiS in Polen und FIDESZ in Ungarn haben in ihren Ländern bereits mit dem Umbau von Staat und Gesellschaft begonnen. Aufgrund des Ausmaßes dieser Entwicklungen ist davon auszugehen, dass es sich nicht nur um eine kurzfristige Mobilisierung mit Bezug zu einzelnen Policy-Fragen handelt, sondern um eine tiefgreifende Verschiebung in der politischen Tektonik der Konfliktlinien stattfindet. Dies lässt sich als eine Folge der Postdemokratie verstehen.
→ weiter lesenIn der Türkei vollziehen sich die politischen Entwicklungen zurzeit in einer Geschwindigkeit und Intensität, die sich kaum noch erfassen lassen. Die alte, kemalistische Republik Türkei scheint es nicht mehr zu geben – so stark sind die institutionellen und politisch-kulturellen Veränderungen unter der seit 2002 ununterbrochen und allein regierenden Partei für Aufschwung und Gerechtigkeit (AKP) vorangeschritten. Von Europa und den USA aus wurde der rapide Aufstieg der AKP in den frühen 2000er Jahren zunächst sehr skeptisch verfolgt; doch wegen ihres strikten wirtschaftsliberalen Reformkurses und einer pro-europäischen Haltung wurde die Türkei unter der AKP zum Musterland für Westasien („Naher Osten“) und Nordafrika auserkoren. Endlich, so der langjährige Tenor in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft, sei eine funktionierende Mischung aus westlicher Demokratie und Liberalismus, ökonomischer Öffnung und konservativ-islamischen Werten gefunden worden, mithin entwickle sich die Türkei zur Brücke zwischen „Okzident“ und „Orient“.
→ weiter lesenPolitik und Bildung sind eigentlich eng miteinander verbunden. Der gegenwärtige Populismus könnte ihre Beziehung jedoch auf ganz neue Art verdichten: Als die Französische Revolution um 1793 zu brutal geworden war, begann Friedrich Schiller mit der Ausarbeitung eines schöngeistigen Gegenprogramms. Wenn der plötzliche Umsturz der politischen Verhältnisse, so sein Grundgedanke, aus dem Ruder läuft und selbst zu einer Schreckensherrschaft wird, dann sollte eine Revolution besser nicht politisch, sondern ästhetisch sein.
→ weiter lesenPopulistische Parteien sind überall auf dem Vormarsch, aber in Italien sind sie so erfolgreich wie in kaum einem anderen westeuropäischen Land. Während es bis vor wenigen Jahren die Rechtspopulisten der Lega Nord und Silvio Berlusconis Forza Italia waren, die große Wahlerfolge erzielten und sogar mehrfach die Regierung stellten, ist es heute die 5-Sterne Bewegung (M5S) des Komikers „Beppe“ Grillo, die sich als zweitstärkste politische Kraft dicht hinter der regierenden Demokratischen Partei (PD) etabliert hat. Anders als bei der Lega Nord ist der Erfolg des M5S jedoch nicht primär auf fremdenfeindliche und islamophobe Rhetorik zurückzuführen. Trotzdem stellt gerade das Thema Einwanderung das größte Konfliktpotenzial innerhalb der Bewegung dar. Denn ausgerechnet rechtspopulistische Äußerungen des Parteivorsitzenden Grillo stoßen bei vielen Anhängern auf wenig Sympathie.
[gastbeitrag]: Yvonne Blöcker mit einem Blick auf den gesetzlichen Rahmen der Beteiligung von Kindern.
Seit einigen Jahren ist die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Gesellschaft und Politik immer wieder ein Thema – z.B. wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche in der Schule oder bei der Gestaltung eines Spielplatzes zu beteiligen, damit sie an politische und demokratische Prozesse herangeführt werden. Kinder und Jugendliche werden somit als handlungsfähige Subjekte verstanden, die ihre Lebenswelt mitgestalten können. Der gesetzliche Rahmen für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen müsste daher eigentlich vergleichsweise umfassend ausfallen. Doch dem ist nicht so; bereits 2009 stellte das Kinderhilfswerk fest, dass hier Handlungsbedarf bestehe.[1] Deshalb soll in diesem Beitrag ein Blick auf das Kinder- und Jugendhilfegesetz sowie auf die Niedersächsische Gemeindeordnung geworfen werden: Wie ist Partizipation von Kindern und Jugendlichen gesetzlich geregelt?