Detektivgeschichten ein zweites Mal zu lesen, ist oftmals enttäuschend: Die Spannung des ungelösten Rätsels ist versiegt, die Lösung schon präsent. Und neigt man nicht dazu, beim ersten Lesen übersehene Details sehr wertzuschätzen, so fehlt bei der wiederholten Lektüre der mysteriöse Zauber, den gerade das Nicht-Wissen erzeugt hatte. Es fehlen das Raten, Vermuten, ein immersives Sich-hinein-gezogen- und Sich-beteiligt-Fühlen. Paradoxerweise, denn eigentlich geht es in diesem Genre ja um Wissen und Aufklären mit den Mitteln der Ratio, des Verstandes. Daher gelten Detektivgeschichten mitunter gar als belletristisches Pendant der Moderne schlechthin.[1]
Unvoreingenommene Gespräche über Sigmund Freuds psychoanalytische Theorie zu führen, ist nicht einfach. Freud wird heute vielfach belächelt und eklektisch rezipiert, selten jedoch ganz erfasst. Für die einen ist er schlicht durch die moderne Psychologie überholt, für die anderen nach wie vor auf eine kaum greifbare Weise attraktiv. Themen wie Religion und Antisemitismus bewegen Sozialwissenschaftler gelegentlich zu psychoanalytischen Exkursen, „wenn die allgemein angenommene Herrschaft des Rationalen in Frage gestellt scheint“[1]. Freuds späte kulturtheoretische Schriften haben dafür auch einiges an Vorarbeit geleistet. Ein wohliger Mystizismus scheint stets mitzuschwingen, allerdings gerät der entscheidende Grundgedanke Freuds in den Hintergrund: die Entdeckung des Unbewussten.