Die politische Lage in Schweden ist seit den letzten Wahlen im September 2014 mehr als schwierig: Durch das Erstarken der rechtspopulistischen Schwedendemokraten konnte weder der linke noch der bürgerliche Block eine eindeutige Mehrheit erzielen. Die neue rot-grüne Minderheitsregierung geriet rasch in heftige Turbulenzen, nachdem sie im Dezember 2014 mit ihrem vorgelegten Haushaltsentwurf an einer strategischen Blockade der Rechtspopulisten scheiterte. Nach der Abstimmungsniederlage seiner Regierung kündigte der sozialdemokratische Ministerpräsident Löfven für März 2015 Neuwahlen an. Diese Bekanntgabe wurde allerdings Ende Dezember wieder zurückgezogen, nachdem die vier bürgerlichen Parteien sowie die rot-grüne Minderheitsregierung sich auf die sogenannte „Dezembervereinbarung“ geeinigt hatten. Diese soll nicht nur mehr Handlungsspielräume für Minderheitsregierungen eröffnen und damit für politische Stabilität sorgen, sondern vor allem den Einfluss der rechtspopulistischen Schwedendemokraten begrenzen.
→ weiter lesen„Die rotgrünen Parteien haben die Wahl nicht gewonnen – die bürgerlichen haben sie verloren.“[1] So das kurze und knappe Fazit zur schwedischen Reichstagswahl 2014. Im Vergleich zur Parlamentswahl 2010 haben die bürgerlichen Parteien zehn Prozentpunkte verloren, während die rotgrünen Parteien nur 0,1 Prozentpunkte dazugewonnen haben. Klare Sieger sehen anders aus. Zwar haben die Mitte-Links-Parteien, bestehend aus Sozialdemokraten (SAP), Grünen und der Linkspartei, 4,4 Prozentpunkte mehr als die regierende Vier-Parteienkoalition des liberalkonservativen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt erzielt. Die Mitte-Links-Parteien erhalten 158 Mandate, während auf die vier bürgerlichen Parteien 142 Mandate entfallen. Aber: Für eine eigene linke Mehrheit hat es nicht gereicht.
→ weiter lesenJimmie Åkesson, der Parteivorsitzende der Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna/SD), hatte es während seiner Tour durchs Land nicht sonderlich leicht. Vor der Europawahl wollte der immer adrett gekleidete Mittdreißiger mit dem südschwedischen Dialekt in ganz Schweden Arbeitsplatzbesuche machen und für seine Rechtspopulisten werben. Allerdings gestaltete sich die Tour, die ihn vor allem in sozialdemokratisch regierte Kommunen führte, weitaus schwieriger als gedacht. Aus Angst vor Protesten wurden die Termine bis zur letzten Minute geheim gehalten und dort, wo Åkesson auftauchte, war er häufig nicht willkommen. Dabei ist Åkesson seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2005 eigentlich nur darauf aus, seine Partei endlich aus der rechten Schmuddelecke zu holen und sie im schwedischen Parteiensystem zu etablieren. Bisher aber ohne Erfolg. Die Partei, die seit 2010 im schwedischen Reichstag vertreten ist, wird seitdem isoliert und ignoriert. Die liberale Immigrationspolitik, für die Schweden international bekannt ist, wurde auch unter der Mitte-Rechts-Regierung von Fredrik Reinfeldt über Blockgrenzen weitergeführt.
Erst brannten Mülltonen, dann Autos, Schulen und Polizeiwachen. Danach flogen Steine auf Feuerwehrmänner und Polizisten. Eine Woche lang drohte Stockholms nordwestlicher Vorort Husby nicht mehr zur Ruhe zu kommen. Was an Pfingsten in Husby begann, breitete sich langsam auf weitere Vororte in der Hauptstadt und später dann auf andere Großstädte aus. Die Wut, die sich in Husby entzündete, hat somit einen weitreichenden Flächenbrand ausgelöst, der weit mehr als Sachschäden verursacht hat. Die schwersten Unruhen seit Jahren in Schweden führen wieder einmal vor Augen, wie angespannt die soziale Lage auch für viele junge Menschen in den Randbezirken der Großstädte im einstigen Vorzeigeland Schweden geworden ist.
→ weiter lesen[analysiert]: Jens Gmeiner über den Parteikongress der schwedischen Sozialdemokratie.
2014 soll es endlich soweit sein. Dann wählt Schweden und die Sozialdemokraten hoffen, die Macht in ihrem einstigen Stammland zurück erobern zu können. Die Partei stellt in dieser Woche die Weichen auf ihrem Parteikongress in Göteborg. Die skandinavischen Vorzeigegenossen, die seit den 1930er Jahren fast durchgängig regiert haben, verharren seit 2006 in der Opposition. Was damals noch als Unfall aussah, entpuppte sich vier Jahre später als politischer Trend. Statt Rot wurde 2010 erneut Blau gewählt. Das sind die Farben der konservativen Hauptkonkurrenz. Unter Führung der konservativen „Moderaten“ konnte eine bürgerliche Vier-Parteien-Koalition die Regierungsmehrheit zum zweiten Mal gewinnen – eine historische Wende im sozialdemokratischen „Volksheim“.
Wohl keine Partei in Europa war im 20. Jahrhundert so erfolgreich wie die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens (SAP). Noch heute richten sich die neidischen Blicke auf das skandinavische Land, wenn über Bildungserfolge, Integration und Wohlfahrtsstaatsreformen debattiert wird. Doch seit 2006 rutscht die Partei ab, geriet als bislang gleichsam natürliche Regierungspartei in die Opposition und steckt derzeit in der wohl schwersten Krise ihrer Geschichte.
Aber wie erklärt sich der Absturz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens von der einstmals erfolgreichsten Partei Europas zu einer Großorganisation in der Krise – und wie verhalten sich eigentlich Volksparteien in einer solchen Situation? Diesen Fragen geht Jens Gmeiner in seinem Buch „Abschied von der sozialdemokratischen Hochburg Schweden?“ nach.
Das Buch ist soeben im ibidem-Verlag erschienen.
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Eigentlich sind die Temperaturen für diese Jahreszeit in der schwedischen Hauptstadt Stockholm relativ mild. Auf knapp zwei Grad unter null beläuft sich die Tagestemperatur im „Florenz des Nordens“. Während der schwedische Winter sich also bisher von seiner milden Seite zeigt, durchzieht eine nie da gewesene eisige Kaltfront die wohl erfolgreichste sozialdemokratische Partei des letzten Jahrhunderts. Die einst stolze und ruhmreiche schwedische sozialdemokratische Arbeiterpartei (SAP) steht vor der schwersten Krise ihrer Geschichte. Die Partei von Olof Palme und Tage Erlander gab am 21. Januar 2012 bekannt, dass Håkan Juholt, der erst im März des Vorjahres neu gewählte Parteivorsitzende, zurücktreten werde. Kein Parteivorsitzender in der SAP war nur so kurz im Amt. Während seine Vorgängerin Mona Sahlin immerhin vier Jahre amtierte und nach heftiger interner Kritik als Folge der katastrophalen Wahlniederlage im November 2010 ihren Rücktritt ankündigte, brachte es Juholt auf gerade einmal zehn Monate. Ein deutlicheres Zeichen für den Niedergang der ehemaligen Staatspartei Schwedens dürfte es wohl nicht geben.
In dieser ersten Juliwoche ist es wieder soweit. Die schwedische Ostseeinsel Gotland und ihre kleine wie beschauliche Hauptstadt Visby verwandeln sich zum größten politischen Treffpunkt in Schweden. Die gesamte Aufmerksamkeit der Medien richtet sich dann auf die alte Hansestadt mit ihren gut erhaltenen mittelalterlichen Bauten und der historischen Stadtmauer. Und mittendrin befindet sich der namensgebende Park, der ein großes Stück schwedischer politischer Kultur mitbegründet hat: Almedalen. Die Politikerwoche in Almedalen verkörpert bis heute ein einmaliges Ereignis in den westlichen Demokratien.
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Minderheitsregierungen – ungefähr ein Drittel aller Regierungen in der europäischen Nachkriegsgeschichte fallen in diese Kategorie. Bemerkenswert viele davon waren in den skandinavischen Ländern zu finden. In Dänemark umfasst der Anteil der Minderheitsregierungen sage und schreibe fast 90 Prozent, in Schweden ca. 70 Prozent und in Norwegen 60 Prozent. Doch warum etablierte sich diese Regierungsform gerade in diesen drei skandinavischen Ländern? Auf welchen Voraussetzungen von politischer Kultur, parteipolitischen Konstellationen, Korporatismus und Politikbeeinflussungsstrategien basiert das dort gebräuchliche Modell „Minderheitsregierung“?
→ weiter lesenAls die ersten Hochrechnungen um 20.00 Uhr im schwedischen Staatsfernsehen über den Bildschirm flimmerten, wurde es schlagartig ruhig im Sveavägen 68 in Stockholm, dem Hauptsitz der schwedischen Sozialdemokratie. Auf gerade einmal 30,8 Prozent kam die frühere Staatspartei der Schweden, die in den letzten 78 Jahren sage und schreibe 65 Jahre die Regierung stellte. Man muss schon in das Jahr 1914 zurückgehen, als die SAP auf 30,1 Prozent kam, um ein ähnlich schlechtes Ergebnis in der Parteihistorie zu finden. Damit hat die schwedische Sozialdemokratie ihre ehemalige Vormachtstellung endgültig eingebüßt.