Diese Meldung aus der ungarischen Kleinstadt Tapolca ließ Europas Medienlandschaft am Abend des 12. April 2015 aufhorchen. Bei der Nachwahl um ein Direktmandat für die Ungarische Nationalversammlung hatte weder der Kandidat der Regierungspartei Fidesz noch der Bewerber der sozialdemokratischen MSZP die meisten Stimmen auf sich vereinigen können. Stattdessen war es Lajos Rig, Politiker der rechtsextremen Jobbik, der an diesem Sonntagabend als Sieger vor die Kameras treten konnte. Nach der Auszählung von über 99 Prozent der Stimmen war klar, dass Rig sich knapp gegen den Bewerber des Ungarischen Bürgerbundes Fidesz durchgesetzt hatte und fortan das erste direkte Parlamentsmandat in der Geschichte der rechtsextremen Partei bekleiden würde. Grund genug für Gábor Vona, den Parteivorsitzenden von Jobbik, von einem „historischen Ereignis“ zu sprechen und seine Partei als „die Kraft“ zu bezeichnen, „die zu einem Regierungswechsel fähig sei“[1]. Tatsächlich scheint diese Nachwahl ein Gradmesser für das aktuelle politische Meinungsbild in Ungarn zu sein.
→ weiter lesenIn Frankreich läuft derzeit vieles schief: Die Bevölkerung verliert das Vertrauen in Politik und Demokratie, die Wirtschaftszahlen und Arbeitslosenquoten sind schlecht. Dies nutzut dem rechtsextremen Front National, der bei den Europawahlen 2014 zur stärksten Partei Frankreichs avancierte. Die Wählerschaft, den Wahlkampf und die Strategie der Partei analysiert Daniela Kallinich in ihrem Vortrag vom 09.07.2014.
Video: David Osterkorn.
→ weiter lesenMit der Europawahl 2014 gelangten nicht nur der französische Front National (FN) und die Dänische Volkspartei, sondern auch eine Reihe von kleineren rechten Parteien ins Parlament. Allerdings ist diese Gruppe von Parteien rechts der Mitte, die sich von der deutschen Alternative für Deutschland (AfD) bis zur griechischen Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) sowie von nationalliberalen bis zu rechtsextremen Parteien spannt, in sich recht heterogen. Entsprechend weit gefächert ist die politische Einordnung durch die Medien, welche zwischen ‚rechtsextrem‘, ‚rechtspopulistisch‘, ‚EU-feindlich‘ oder auch ‚europaskeptisch‘ changiert. Liegt dieser Zuordnung von ‚Labels‘ zu einzelnen Parteien eine Systematik zugrunde? Oder anders: Wie ordnen Medien die zum Teil neuen politisch nunmehr relevanteren Parteien ideologisch-programmatische ein? Diese Fragen werden im folgenden Beitrag anhand ausgewählter deutscher Medien untersucht.
Nein, sie stehen am 25. Mai nicht zur Wahl, wollten es ja auch ganz entschieden nicht: Die Schweizer Volkspartei (SVP) und ihr politischer Heeresführer, der Mann des Volkes mit dem Milliardenvermögen im Rücken, Christoph Blocher. Das dürfte gerade die besorgten Professionellen der europäischen Integrationsalternativlosigkeiten einigermaßen beruhigen. Denn unter allen Parteien der rechten Mitte, die sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten einem aggressiven, organisatorisch verblüffend modernen, kampagnenorientierten Politikstil der polarisierenden Zuspitzung verschrieben haben, ist die SVP unzweifelhaft am weitesten vorangekommen. Allein sie hat bisher geschafft, wonach die FPÖ in Österreich und der Front National in Frankreich seit Jahren wohl begierig, aber bislang vergebens strebten: Durch Parlamentswahlen zur stärksten politischen Formation in ihrem Land zu werden. Dabei hat vor allem die scharfe Distanz zur Europäischen Union – die zwar auch die anderen populistischen Kräfte des rechten Spektrums in ihren Programmen führen, aber doch nirgendwo mit so elementarer Wucht wie in der Schweiz – der Schweizer Volkspartei zu ihrem rasanten, ganz und gar unschweizerischen Aufstieg von einem kleinen, eher behäbigen Verein selbstgenügsamer Mittelständigkeit zur dynamischen, agitatorisch fulminant operierenden Sammelpartei, die den Rest der politischen Konkurrenz seit den 1990er Jahren auf weitem Abstand hält, verholfen.[1]
→ weiter lesenJimmie Åkesson, der Parteivorsitzende der Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna/SD), hatte es während seiner Tour durchs Land nicht sonderlich leicht. Vor der Europawahl wollte der immer adrett gekleidete Mittdreißiger mit dem südschwedischen Dialekt in ganz Schweden Arbeitsplatzbesuche machen und für seine Rechtspopulisten werben. Allerdings gestaltete sich die Tour, die ihn vor allem in sozialdemokratisch regierte Kommunen führte, weitaus schwieriger als gedacht. Aus Angst vor Protesten wurden die Termine bis zur letzten Minute geheim gehalten und dort, wo Åkesson auftauchte, war er häufig nicht willkommen. Dabei ist Åkesson seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2005 eigentlich nur darauf aus, seine Partei endlich aus der rechten Schmuddelecke zu holen und sie im schwedischen Parteiensystem zu etablieren. Bisher aber ohne Erfolg. Die Partei, die seit 2010 im schwedischen Reichstag vertreten ist, wird seitdem isoliert und ignoriert. Die liberale Immigrationspolitik, für die Schweden international bekannt ist, wurde auch unter der Mitte-Rechts-Regierung von Fredrik Reinfeldt über Blockgrenzen weitergeführt.
Kostas ist Rentner. Er geht auf die Straße, um gegen die verordneten Sparmaßnahmen der Troika zu kämpfen. Mit dabei: eine Griechenlandflagge. Kostas ist Wähler und Mitglied der Chrysi Avgi, der „Goldenen Morgenröte“. Der pensionierte Taxifahrer wohnt im ehemaligen Arbeiterviertel Agios Panteleimon in Athen. Dort kommt es seit 2008 immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Rechtsextremen und Immigranten sowie Asylbewerbern. Die Partei habe für ihn nichts mit Rechtsextremismus zu tun und ein Faschist sei er auch nicht. Warum er dann in der Partei ist, frage ich. „Sie schützt die alten und schwachen Leute und stellt sich gegen das Memorandum, das möchte ich unterstützen“, erzählt er. Den etablierten Parteien PASOK und Nea Dimokratia könne man nicht mehr trauen. Zu lange hätten sie Politik auf Kosten der Bürger betrieben und Korruption und Vetternwirtschaft befördert. Viel Frust und Zukunftsangst stecken in dem 70-Jährigen. Das nutzt die Goldene Morgenröte bewusst aus.
„Europa ist wie Alkohol. Es inspiriert uns zu großen Zielen, doch zugleich hindert es uns an ihren Erreichen“[1], sagte Viktor Orbán 2012 in seiner Rede zur Lage der Nation. Dass Orbán von Phrasen und leeren Versprechungen wenig hält, vermochte er schon mehrmals eindrucksvoll zu beweisen. Denn im Unterschied zu vielen anderen Populisten auf Stimmenfang ließ er Worten tatsächlich Taten folgen. „Es geht fehl, wer in Orbán einen reinen, zynischen Machtpolitiker vermutet. Er brennt für seine Sache: die ungarische Nation und ihre Freiheit“[2], schrieb der Ungarn-Korrespondent der FAZ Stephan Löwenstein, nachdem Orbáns Regierung von den ungarischen WählerInnen am 6. April dieses Jahres mit einer Zweidrittelmehrheit im Amt bestätigt worden war.
→ weiter lesenDie Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist ein besonderes Beispiel für eine rechtspopulistische Partei. Sie steht geradezu prototypisch für die Erfolgswelle des Rechtspopulismus seit den 1980er Jahren. Wie in einem Brennglas zeigen sich an ihrem Fall die Faktoren und Rahmenbedingungen, die auch in anderen Ländern, wenngleich weniger deutlich, den Aufstieg von Vertretern dieser Parteienfamilie begünstigen. Die FPÖ ist dadurch ein Musterfall des Rechtspopulismus – und zugleich außergewöhnlich.
→ weiter lesenRechtspopulistische Ideen sind in Italien weit verbreitet. Gleich mehrere Parteien und Bewegungen bedienen sich im Vorfeld der Europawahlen einfacher Ideen, die sich gegen Ausländer und „die da oben“ wenden. Die Büchse der Pandora öffnete Silvio Berlusconi. Als seine Forza Italia 1994 gemeinsam mit den Separationisten der Lega Nord, den Postfaschisten der Alleanza Nazionale und der rechten Kleinstpartei Forza Nuova eine Regierung bildete, vertraten einige von ihnen offen rechte Ideen – bis dahin im postfaschistischen Italien ein Tabu. Außenminister wurde Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale[1] (AN), der sich erst im Amt öffentlich vom Faschismus abwendete. Die AN und die Lega, sie blieben Berlusconis Vasallen und treue Stimmbeschaffer bei seinen weiteren Amtszeiten bis zuletzt 2012. Und sie sorgten für eine Verschärfung des ausländerfeindlichen Diskurses, der schließlich salonfähig wurde.
Vor ein paar Jahren hat der Politikwissenschaftler Benjamin Arditi den Populismus mit einem betrunkenen Gast auf einer Dinner-Party verglichen, der sich nicht um Konversationsmanieren schert und mit seinem penetranten Verhalten alle Anwesenden peinlich berührt, dessen man sich aber, da man ihn nun mal eingeladen hat, nicht so einfach entledigen kann. Also versucht man gemeinsam, ihn soweit zu ignorieren, dass seine Provokationen ins Leere laufen.[1] Mittlerweile ist der Rechtspopulismus in vielen nationalen Parlamenten Westeuropas zu einem Dauergast geworden, aber derzeit ist es ein Brite, der Arditis Tischgast-Metapher wie kein zweiter verkörpert.