Wer versucht, sich über das religiöse Feld im Deutschland des Jahres 2017 einen Überblick zu verschaffen, der wird mit einem in sich höchst diversen Befund konfrontiert: In den Feuilletons, in der Kulturszene und auch im politischen Diskurs ist Religion hoch präsent. Das ist in diesem Jahr vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, Martin Luther und dem 500-jährigen Reformationsjubiläum zu verdanken. Als Playmobilfigur, als Filmheld, als Stoff für zahlreiche Biografien, aber auch als Aufhänger für politische Reden: Dem Reformator entkommt man in diesem Jahr nicht.
→ weiter lesenHerr Joas, Sie sprechen von der Kirche als Moralagentur. Was haben wir darunter zu verstehen?
Wichtig ist, dass wir die beiden Bestandteile einzeln erörtern: Moral und Agentur. Beginnen wir mit der Moral. Die Moral ist dabei definiert durch ihre Restriktivität. Bestimmte Sachen, heißt das, darf man nicht tun – eben aus moralischen Gründen, die bisweilen sogar rechtlich kodifiziert sind. Oder man darf sie prinzipiell tun, aber bestimmte Mittel zur Erreichung des Zieles nicht verwenden. Die Moral ebenso wie die Normen schränken meine Handlungsmöglichkeiten insofern ein.
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