Binnen zwei Jahren hat sich eine beachtliche Oppositionsbewegung gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) formiert. Die Gegner des geplanten Vertragspapieres zwischen der EU und den Vereinigten Staaten erscheinen gerade hierzulande besonders schlagkräftig. Es protestieren gemeinsam: globalisierungskritische Gruppierungen, Gewerkschaftsgenossen, demokratiebewegte NGOs, Orchestermusiker, mittelständische Unternehmer, Kommunen, Stadträte, Landwirte, Autonome, Datenschützer, freie Schriftsteller, Internetaktivisten, Buchhändler, Klima- und Umweltschützer, Menschenrechtler, Gentechnikgegner, Tierschützer und Wohlfahrer. Für diesen Samstag haben mehr als dreißig Organisationen zu einer Großdemonstration im Berliner Regierungsviertel aufgerufen. Ihr Motto: „TTIP und Ceta stoppen! Für einen gerechten Welthandel“. Sechshundert Busse sind gechartert; fünf Sonderzüge bringen die TTIP-Gegner in die Hauptstadt; etwa 50.000 Menschen werden erwartet. Angesichts der umfassenden Mobilisierung könnten es jedoch deutlich mehr werden, vielleicht sogar die größte Einzeldemonstration der vergangenen zehn Jahre.
→ weiter lesen„Wir sind das Volk“ schallt es seit mehreren Wochen jeden Montag durch Dresden. Die Parole der alten Proteste dient nun – nicht nur in Dresden – als Konstruktion einer vermeintlich demokratischen Bewegung. Rund 15.000 Menschen zog es in der sächsischen Landeshauptstadt am vergangenen Montag bereits auf die Straße, es war die neunte Veranstaltung in Folge Unter dem sperrigen Namen „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ demonstrieren die Menschen wohl gegen vieles, doch die „Islamisierung des Abendlandes“ dürfte kaum der Kern ihres Protestes sein. So neu wie einige Medien diese neue Protestbewegung einordnen, ist sie indes nicht. Anders ist lediglich, dass sich Ressentiments und Rassismus in Deutschland wieder in einem derartigen Ausmaß auf der Straße verdichten und dies jenseits der organisierten extremen Rechten.
Es war schon ein gigantisches Victory–V, das die Katalanen am diesjährigen Nationalfeiertag Kataloniens geformt hatten. Circa 1,8 Millionen Menschen, also mehr als alle Einwohner Barcelonas zusammen, respektive fast ein Viertel aller Einwohner Kataloniens, waren nach Angaben der Polizei in der Mittelmeermetropole friedlich auf die Straße gegangen. Sie nahmen jeweils elf Kilometer der v-förmig verlaufenden Hauptverkehrsstraßen Gran Via und Diagonal in Beschlag, um für die Unabhängigkeit Kataloniens zu protestieren.[1] Damit verliehen sie ihrer Empörung darüber Ausdruck, dass das für den 9. November 2014 geplante Referendum, bei dem die Katalanen zur Abspaltung Kataloniens vom Rest Spaniens befragt werden sollten, von der Zentralregierung in Madrid blockiert wurde. Das V-Zeichen war sogar aus dem Weltraum deutlich sichtbar.
→ weiter lesenVerglichen mit anderen Ländern verfügt Island über keine sonderlich ausgeprägte Protesttradition. Einschneidendstes Erlebnis war da schon der eintägige Aufstand vom März 1949 anlässlich Islands NATO-Beitritts. Doch mit dem Zusammenbruch des isländischen Bankensystems im Zuge der internationalen Wirtschaftskrise im Herbst 2008 schwappte eine Protestwelle über das Land, die Regierung wie Zentralbankvorsitz zum Rücktritt zwang und den Anfang machte für weltweite Proteste. Zum sechsjährigen Jubiläum der Anfänge der weltweiten Finanzkrise rekapituliert dieser Blogbeitrag die isländischen Proteste und erklärt, warum es trotz ihres offensichtlichen Erfolgs nicht zu einer langfristigen Gesellschaftsreform kam.
[Gastbeitrag]: Andrij Portnov with some remarks on the “Euromaidan”.
The multifarious and dynamic situation in the Ukraine widely known as “Eurorevolution” surprised many observers. In my view the key to understand Maidan is the fact that a sizeable part of the country’s population has tried to formulate a demand for a new (“European”) political and social lifestyle and showed eagerness to die for this goal.
Den Montagsdemonstrationen für den Frieden, die im Kontext der Ukraine-Krise im Frühjahr 2014 bundesweit stattfanden, wurde Rechtslastigkeit vorgeworfen. In einer Befragung der TeilnehmerInnen der Montagsmahnwachen in Berlin – einer Onlinebefragung mit 303 ausgewerteten Antworten – konnten wir zeigen, dass ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild zwar kaum zu finden ist, rechtsextreme Einstellungselemente jedoch in einigen Fällen durchaus vorhanden sind.[1] Neben dieser Offenheit gegenüber rechtem Gedankengut stehen die Montagsmahnwachen allerdings auch für die Entwicklung neuer Formen des politischen Protests, wie sie in Bezug auf die Occupy-Proteste beobachtet wurden. Welche Parallelen also lassen sich zwischen Montagsdemonstrationen und Occupy-Protesten in Deutschland beobachten?
→ weiter lesenBürgerproteste in Deutschland sowie in einigen europäischen Nachbarländern gehören zum Kern des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses des Göttinger Instituts für Demokratieforschung. Weil politische Parteien bestimmte soziale Gruppen in der deutschen Gesellschaft kaum mehr erreichen und bestimmte Themenfelder kaum mehr glaubwürdig repräsentieren können, nehmen immer mehr Menschen die Vertretung ihrer Anliegen mit Nachdruck selbst in die Hand. Auch international häufen sich recht differente Protestphänomene : Vom „Arabischen Frühling“ zwischen Tunesien und Syrien über die chilenischen Studenten, die erst für eine Ent-Privatisierung des Bildungssystems und dann für eine gerechtere Gesellschaft auf die Straße gegangen sind, bis hin zu Protesten gegen Lebensmittelpreise oder drückende Arbeitsbedingungen in Afrika oder Südostasien reichen die Ereignisse, die es in die Tagespresse geschafft haben. Ob dahinter tatsächlich ein weltweiter Trend zu erkennen ist, haben sich eine Arbeitsgruppe um Sara Burke vom New Yorker Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung und Kollegen von der Columbia University gefragt und zur Forschungsaufgabe gemacht.[1]
In Oberfranken hat sich in den letzten Wochen ein äußerst schlagfertiger Bürgerprotest gegen die Stromtrasse Süd-Ost entwickelt. Die Gleichstromleitung soll von der Lausitz durch Oberfranken nach Südbayern führen und wird dabei auf bis zu siebzig Meter hohen Strommasten verlaufen. Ganz Oberfranken ist dagegen in Aufruhr und die Stadt Pegnitz bildet so etwas wie das Zentrum dieses Widerstands. Dabei zeigte sich hier besonders deutlich, dass die gängige Formel von den BürgerInnen, die sich gegen die „unfähigen“ und „volksfernen“ PolitikerInnen sowie den „gängelnden Staat“ wehren, deutlich zu kurz greift. Der Protest wäre ohne die Unterstützung von PolitikerInnen und Verwaltungen kaum so schnell so schlagkräftig geworden.
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